Schlacht bei Vierkirchen
Es war ein kalter, nebliger Samstagvormittag, als ich mich noch einmal zu meiner Familie umdrehte und meiner Tochter einen letzten Abschiedskuss gab. Ich griff nach meiner Sporttasche und merkte die Anspannung die bereits in mir brodelte. Es war Spieltag.
In meinem Kopf überschlugen sich Szenarien, Taktiken, Aufstellungsmöglichkeiten. Nicht einfach diese Haunstetter Rückrunde. Aber ich wusste um meine Männer, um meine Krieger die mit mir gemeinsam diese Schlacht kämpfen würden. Sie waren Motiviert, trainiert und vom letzten, gewonnenen Kampf immer noch euphorisiert. Ich hoffte nur all dies für die bereitstehende Aufgabe in die richtigen Bahnen lenken zu können.
Als ihr Anführer hatte ich eine Aufgabe, eine Verpflichtung und sie verließen sich auf meine Leistung. Ich durfte nicht versagen!
Gut war sie ja, die Stimmung, als wir uns versammelten und unsere sieben Sachen zählten. Spielerpässe, Trikots, Wasserkiste, Schuhe von Chris. Alles war bereit und mit wiedergekehrtem Co-Coach Martin Settele und seinem neuen, weißen Schlachtross wurde zum Aufbruch nach Vierkirchen geblasen.
Dort angekommen erwartete uns eine helle, lichtdurchflutete Halle wie sie nicht besser sein konnte. Die Zeichen standen gut! Die Zeichen standen auf Sieg!
Der Gegner war bereits eingetroffen und wetzte die Klingen. Meine Nervosität erreichte ihren Höhepunkt. Nach dem ersten Schlagabtausch zwischen Vierkirchen und den mitangereisten Schanzern aus Ingolstadt, war es aber alles deutlich vor meinem geistigen Auge zu sehen. Die Taktik war klar! (auch vor allem deswegen weil ich aufgrund mangelnden Personales nicht viele Möglichkeiten hatte)
Eine Läufer 1 Startformation mit Turbotorben Casser und Lorenz Schmid auf den Angriffsflügeln sowie Dom Herbst als Backup aus dem Hinterhalt sollte genug Durchschlagskraft haben, um dem Gegner zu zeigen wo die Manager sind. Die Mitte wurde gestärkt durch Phil Karkosch und dem an diesem Tag zum zweiten Mal beförderten Jan Weber. Hier sollte nichts anbrennen, denn es gab schließlich immer noch Libero Lukas Hartmann, der uns den Rücken frei halten würde, zur Not auch mit verbundenen Augen. Ich muss zugeben, das gab mir und vermutlich auch meinen Männern eine ordentliche Portion Sicherheit. Das Geschehen sollte dieses Mal geleitet werden von Chris „Girseletto“ Basske, der den Schifahrenden Zuspieler Flo Benn vertrat. Ich hoffte nur er würde im Kampfgetümmel den Überblick bewahren.
So begann er, der erste Satz. Alle Nervosität wich und wurde durch Adrenalin und Kampfgeist ersetzt. Ich musste ebenfalls den Überblick bewahren, lenken, motivieren. Bloß keine Fehler machen! Ich konnte nur ahnen was durch die Köpfe meiner Mannen ging aber ich fühlte den Zusammenhalt, die Einigkeit und das war gut so.
Ein spannender Schlagabtausch zog sich durch diese erste Begegnung. Gute Angriffe wurden mit ebenfalls guten Angriffen unsererseits gekontert. Auf die Annahme war verlass, wie ich es prophezeite. Keiner der Kontrahenten konnte sich zunächst absetzen, bis schließlich Flügelasse Torben und Lorenz dem Gegner derart schmerzende Wunden zufügten, dass die dadurch gestärkte Mitte nur noch Salz hinein streuen musste. Es lief, und wie es lief. Sieg im ersten Durchgang!
Mitgerissen vom ersten Erfolg motivierte ich meine Männer die Leistung zu halten, diszipliniert zu agieren und mit dem Kopf zu arbeiten. Es war zwar ein erster Sieg aber er war knapp und hart umkämpft. Es musste genau so weiter gemacht werden. Ein Nachlassen wäre fatal, dachte ich. Als ich keine großen, taktischen Veränderungen beim Gegner, der sich zurückzog um die Wunden zu lecken, erspähen konnte, legte ich es darauf an und schickte meine Haudraufstetter mit gleicher Taktik zurück aufs Feld. Starke, gezielte Aufschläge und eine alerte Rückendeckung waren der Weg zum Ziel, ich spürte es. Es musste nur die Offensive durchhalten. Ganz einfach. Bitte, bitte haltet einfach durch!
Hin und her ging es. Wild und dramatisch dann wieder diszipliniert und überlegen. Ein echter Krimi, dachte ich mir. Erste Schwachstellen offenbarten sich als aber unsere Kräfte nachließen. Ich musste handeln, nur wie? Die komplette Bank des TSV war noch im Lazarett. Einzig der loyale Chris Niklas war mit angereist, der aber leider noch nicht über die nötige Kampferfahrung verfügte um in einer solchen Situation die Mannschaft stabilisieren zu können.
Es lag an mir diesen Schlagabtausch mit einem Sieg ins Lager zu holen. Es ging nur durch geschickte Auszeiten und meinen Fähigkeiten, den Mannschaftsgeist hoch zu halten. Gottseidank, dachte ich mir, als die Männer zwar froh und erleichtert über den erneuten Sieg des zweiten Satzes aber merklich ermüdet zur Pause an die Bank trotteten. Ein Punkt war uns schon Mal sicher. Ich war durchaus stolz auf meine Mitstreiter.
In meinem Kopf aber tobte ein Sturm, fast schon Verzweifelt suchte ich nach Lösungen aber meine Hände waren gebunden. Für das Finale gab es weder die Möglichkeit frische Spieler zu bringen noch die Möglichkeit große, taktische Positionswechsel vorzunehmen. Ich musste so weitermachen, es half alles nichts.
Früh gerieten wir in Rückstand. Fehler um Fehler schlich sich in die bisher disziplinierte Leistung meiner Freunde auf dem Schlachtfeld. Ich war zu einer frühen Auszeit gezwungen um jetzt durch präzise Anweisungen die Schwachstellen, die ich im Gegner ausmachte, zu unserem Vorteil zu nutzen. Aber die Kräfte schwanden, die Spannung fiel, die Konzentration lies nach. In mir raste es. Ich wollte den Sieg, ich wollte ihn unbedingt. Am Ende konnten wir uns aber nicht durchsetzen und mussten uns geschlagen zurückziehen.
Was für ein Drama! Die Lungen brannten, die Beine waren schwer, die Arme schlapp. Und jeder wusste, dass es noch nicht vorbei war. Wir mussten uns belohnen für die ganze Energie, die wir bisher opferten. Wir mussten kämpfen und siegen! Ein versagen wollte ich mir nicht ausmalen.
Meine Männer schafften es mit vereinten Kräften zurück aufs Schlachtfeld, von draußen dröhnten die Schlachtrufe in der Hoffnung jeden Schritt meiner Mannschaft etwas leichter zu machen. Mir brannten die Lunge und der Hals ebenfalls und ich schwitzte aus allen Poren. Aber es war mir egal. Ich wollte siegen! Jetzt war es an der Zeit Charakterstärke und den schieren Willen zum Sieg zu zeigen, denn nur damit konnten wir jetzt noch gewinnen.
Ich nahm einen Schluck Wasser und atmete tief durch. Ich hoffte so sehr auf das Durchhaltevermögen der Mannschaft. Jedes einzelne Haar an meinem Körper war zum Bersten gespannt. Und dann begann der vierte Satz. Ich wusste, sollten wir diesen verlieren, dann ist die Schlacht ebenfalls verloren.
Ich sah es deutlich in ihren Augen, die Kraftreserven waren so gut wie erschöpft. Mehr gab es nicht. Nur gut, dass es dem Gegner ebenfalls so erging, dachte ich.
Ein offener Schlagabtausch war die Konsequenz. Punkt für Punkt arbeiteten sich beide Mannschaften zum ersehnten Ziel zwischen verwüsteten Frisuren und Schweiß vernebelten Augen endlich die 25 auf der Anzeigetafel zu erspähen. Unser Block brach Mitte des Satzes schließlich völlig auseinander. Meine Hoffnung ruhte auf meinem guten Lukas, der uns bisher so tapfer und solide gestärkt hatte. Es war ein Kraftakt sondergleichen. Die Taktik war auf das Minimalste reduziert. Angriffe hatten kaum noch Durchschlagskraft. Ich raufte mir die Haare, ich packte meinen guten Freund Martin und biss mir auf die Zunge. Ich konnte fast nicht mehr zusehen, meine Stimme versagte.
Und da passierte es. Ein Wunder. Er kam zu uns in Zeiten größter Not um uns zu helfen, um uns nach Hause zu holen mit einem erneuten, wichtigen Sieg in dieser Rückrunde. Mit heller Stimme erklang es immer und immer wieder „DEPP DEPP DEPP JHONNY DEPP DEPP JHONNY JHNONNY DEPP DEPP DEPP“ und es durchdrang unsere müden Knochen bis aufs Mark. Schlagartig lebte der Siegeswillen in uns auf und trug uns vorwärts, weiter, immer weiter.
Beim Schlusspfiff sank ich auf die Knie und war erleichtert wie nie zuvor. Was für eine großartige Leistung dieser Haudraufstetter Männer. Wahrlich ein Spektakel.